Das PadMu 4, ein E-Reader speziell für Musiker. Foto: tablets-fuer-musiker.de
PadMu 4 im Test: Der beste E-Reader für Musiker?
Zuletzt aktualisiert am 30. September 2024
Das Anfang 2023 eingeführte PadMu 4 ist einer der wenigen E-Reader, die speziell für Musiker entwickelt wurden. Das PadMu 4 kostet etwa eintausend Euro und ist eine Variante des Boox Tab X des chinesischen Herstellers Onyx.
In diesem Test werde ich versuchen, folgende Fragen zu beantworten:
- Worin bestehen die Unterschiede zwischen dem PadMu 4 und dem Boox Tab X?
- Ist die Musik-Software des PadMu auf dem Niveau der Branchenführer wie zum Beispiel forScore, Newzik und MobileSheets?
- Ist der Aufpreis von mehr als hundert Euro für das PadMu (im Vergleich zum Boox Tab X) gerechtfertigt?
PadMu oder Boox Tab X: was sind die Unterschiede?
Das PadMu 4 basiert auf dem Boox Tab X des chinesischen Herstellers Onyx International. Dies ist kein Geheimnis und wird sogar in den Spezifikationen der PadMu 4 angegeben. Die Hardware ist tatsächlich absolut identisch und trägt in beiden Fällen das BOOX-Logo.
Die Unterschiede sind also in der Software zu finden: Die offizielle PadMu-Website wirbt mit „maßgeschneiderten Apps“, darunter eine App zum Anzeigen und Bezeichnen von Noten im PDF-Format.
Auf den ersten Blick sind das PadMu 4 und das Onyx Boox Tab X nicht zu unterscheiden. Foto: tablets-fuer-musiker.de
Da das PadMu 4 und das Boox Tab X auf der „Hardware“-Ebene nicht zu unterscheiden sind, wird sich dieser Test des PadMu 4 auf den „Software“-Teil konzentrieren: die PadMu 4 Software-Suite.
Was die Hardware betrifft (das Onyx Boox), findet man in meinem Test der besten E-Reader für Musiker weitere Details.
Apps für Musiker: Kontoerstellung erforderlich!
Ein kleines Ärgernis tritt bereits in den ersten Minuten auf: Um die PadMu-Apps nutzen zu können, muss man zwingend ein Konto erstellen. Es gibt vier verschiedene Apps:
- Eine alternative Startseite („Launcher“)
- Eine Notenbibliothek
- Eine App zum Lesen von Noten („PadMu Reader“)
- Ein Dateimanager
Auf den letzten Punkt werde ich nicht näher eingehen, da der Dateimanager zwar gut und nützlich ist, jedoch keine großen Besonderheiten aufweist.
Das PadMu (links im Bild) verfügt über eine spezifische Software-Ebene, die für Musiker entwickelt wurde. Foto: tablets-fuer-musiker.de
Die ersten drei Anwendungen hingegen machen den Unterschied zwischen dem PadMu und dem Boox Tab X aus. Ohne diese Musik-Apps wäre das PadMu 4 nur ein Boox Tab X, das sich hinter Marketing und einer hübschen Website versteckt, mit Musikern als Zielgruppe.
Die Frage lautet also: Bieten diese Anwendungen Musiker einen Mehrwert?
1. Die PadMu-Startseite
Die Startseite des PadMu 4 ist schlicht und übersichtlich. Verwirrend ist jedoch, dass die Einstellung des Tablets an zwei verschiedenen Stellen vorgenommen werden kann: in den Android-Einstellungen oder in den PadMu-Einstellungen. Einige Elemente sind doppelt aufgeführt, andere nicht, und das ist ziemlich verwirrend. Außerdem gibt es zwei App-Stores: den Play Store und den „Eink App Store“ [sic].
Man gewöhnt sich jedoch schnell an diese Duplikationen, und die Startseite bleibt praktisch und ermöglicht einen schnellen Zugriff auf die Notenbibliothek sowie auf die zuletzt verwendeten Musikstücke.
Die Startseite des PadMu 4 ist schlicht und übersichtlich. Foto: tablets-fuer-musiker.de
Die Notizfunktion tritt in den Hintergrund
Die für Musik- oder Instrumentallehrer unverzichtbare Notizfunktion spielt auf der PadMu-Startseite eine untergeordnete Rolle. Sollte das Erstellen von Notizen Ihre Priorität sein, ist die Onyx-Startseite wahrscheinlich die bessere Wahl.
Dieser ist bereits auf dem PadMu installiert, die Auswahl erfolgt in den Android-Einstellungen, die leider nur zum Teil ins Deutsche übersetzt sind:
Settings (Einstellungen) > Apps and Notifications (Apps und Benachrichtigungen) > Default app (oder Standard-Apps) > Desktop > PadMu-Startseite
Ein Wechsel von einem zum anderen ist jederzeit möglich.
2. PadMu Library: Die Notenbibliothek
In der Notenbibliothek, genannt „PadMu Library“, werden die Noten importiert und verwaltet sowie Playlists erstellt.
Die Bibliothek ist gut durchdacht und einfach zu bedienen. Da die Icons eine Legende haben, ist es bereits bei der ersten Verwendung sehr einfach, sich hier zurechtzufinden.
PadMu 4 im Test: Verwaltung von Noten in der „PadMu Library“
Importieren von Noten aus der Cloud
Die Importmöglichkeiten der PadMu Library beschränken sich auf Dropbox und Google Drive. Das ist zwar nicht schlecht, aber MobileSheets ermöglicht auch den Import von Microsoft OneDrive.
Die App forScore (leider nur auf iPads von Apple verfügbar) geht noch einen Schritt weiter und integriert auch viele externe Notenbibliotheken wie Musicnotes, Noteflight oder Virtual Sheet Music.
Unterstützte Dateiformate: Nur PDF
Die E-Reader von PadMu unterstützen grundsätzlich nur Dateien im PDF-Format (sowie das eigene .padmu-Format). Der Import von DOCX-Dateien, Bildern oder Texten wird nicht unterstützt – auch hier ist die Konkurrenz besser aufgestellt.
Die Einschränkungen beim Import aus der Cloud und die Begrenzung auf das PDF-Format sind jedoch nicht wirklich gravierend. Die große Mehrheit der Musiker wird mit den Möglichkeiten des PadMu zufrieden sein, und die meisten Einschränkungen können umgangen werden.
3. PadMu Reader: Die Notenlese-App
„PadMu Reader“ steht in direkter Konkurrenz zu anderen Notenlese-Apps für Android wie MobileSheets, MuseScore, nkoda und der IMSLP-App.
PadMu Reader blendet die Android-Statusleiste am oberen Bildschirmrand sowie die Navigationsleiste am unteren Bildschirmrand aus (sofern diese überhaupt aktiviert ist). Das Musikstück kann also die gesamte Bildschirmhöhe einnehmen, abgesehen von fünf Buttons am unteren Bildschirmrand.
Das Hauptmenü der App ist eine vertikale Symbolleiste. Wenn sie eingeblendet ist, verdeckt sie den linken Teil des Notenblatts (und damit auch den Notenschlüssel und die Vorzeichen, zumindest teilweise).
Screenshot der „PadMu Reader“-App auf dem PadMu 4 mit der Bratschenstimme des Sextetts für Klavier und Streicher op. 33 von Felix Weingartner
Dissonante Menüleiste: Keine harmonische Interaktion
Die senkrechte Symbolleiste des PadMu Readers soll durch vertikales Wischen mit zwei Fingern angezeigt werden. Leider ist diese Geste in der Praxis wenig zuverlässig und führt häufig zu einem Umblättern der Seite.
Es gibt zwar eine Konfigurationsoption, um das doppelte Wischen durch ein doppeltes Tippen mit zwei Fingern zu ersetzen. Auf meinem E-Reader funktioniert jedoch auch diese Geste nur gelegentlich, sodass ich oft in der App stecken geblieben bin, ohne das Menü öffnen zu können. In diesem Fall muss man zur Startseite zurückkehren und die Notenlese-App erneut öffnen.
Noten zuschneiden: begrenzte Möglichkeiten
Das Zuschneiden von Noten ist eine der Funktionen, die ich am häufigsten verwende, denn was nützt ein großer E-Reader (oder ein großes Tablet), wenn die Anzeigefläche durch große Ränder verkleinert wird?
Das Zuschneiden in der PadMu Reader-App ist jedoch problematisch: Es ist weder möglich, jeden Seitenrand einzeln zuzuschneiden, noch die Mitte des Zuschneidebereichs zu verschieben.
Die Zuschneidefunktionen anderer Apps sind wesentlich effizienter und angenehmer zu verwenden. Beispiele hierfür sind MobileSheets (auf dem PadMu installierbar), forScore auf dem iPad oder auch SongbookPro.
Das Zuschneiden einer Partitur auf dem PadMu 4 mit PadMu Reader (links, problematisches Zuschneiden) und MobileSheets (rechts, präzises Zuschneiden jedes Randes). Das Notenblatt ist aus der Violastimme der Sinfonia concertante Es-Dur KV 364 (320 d) von Mozart, in der Urtext-Fassung von Henle.
Die Einschränkungen beim Zuschneiden von Partituren auf dem PadMu 4 bedeuten für mich einen schwerwiegenden Mangel. Solange ein Update das Problem nicht behebt, ist es schwer, die PadMu Reader-App zu empfehlen, und die Vorteile des PadMu 4 gegenüber dem Onyx Boox Tab X werden dadurch zunichte gemacht.
Anzeigen von Noten im Querformat (Doppelseiten-Modus)
Liebhaber des Doppelseitenmodus werden enttäuscht sein, da die PadMu Reader-App nicht in der Lage ist, zwei Seiten nebeneinander im Querformat anzuzeigen. Der E-Reader verfügt über einen Orientierungssensor, der die Seite richtig dreht, aber es wird nur eine einzelne Seite angezeigt.
Querformat auf dem PadMu 4 mit der PadMu Reader-App, hier zu sehen das 1. Präludium aus Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertem Klavier. Foto: tablets-fuer-musiker.de
Für viele Musiker (insbesondere Pianisten) ist das Querformat und somit die Anzeige von zwei Seiten (auf demselben E-Reader oder Tablet) unverzichtbar. In einem Kommentar auf der englischen Version dieser Website hat der Entwickler von PadMu klargestellt, dass es eine Entscheidung war, den Doppelseitenmodus nicht zu unterstützen. Wenn man zwei Seiten nebeneinander haben wolle, müsse man die Doppel-PadMu-Lösung verwenden (und sich also zwei E-Reader kaufen!).
Ein Update von PadMu in dieser Hinsicht ist daher nicht zu erwarten. Es gibt jedoch zwei Lösungen:
- Installieren Sie MobileSheets (€ 17,99). Bevorzugen Sie die Version für E-Reader gegenüber der für Tablets gedachten Google Play-Version.
- Greifen Sie zum Onyx Boox Tab X*, das nahezu identisch und günstiger ist.
Dual-Screen-Modus (Doppelbildschirm)
Ähnlich wie bei forScore oder MobileSheets verfügt die PadMu Reader-App über einen Dual-Tablet-Modus, mit dem zwei Seiten derselben Partitur nebeneinander angezeigt werden können. Wenn Sie zwei PadMu-Geräte besitzen, funktioniert dies reibungslos.
Allerdings ist die PadMu-Software exklusiv für die E-Reader der Marke. Es ist also nicht möglich, die PadMu Reader-App auf einem PadMu in Kombination mit einem E-Reader einer anderen Marke zu verwenden – selbst wenn es sich dabei um einen Onyx Boox handelt.
Das Onyx Boox Tab X (links) und das PadMu 4 (rechts) im Doppel-E-Reader-Modus mit MobileSheets. Foto: tablets-fuer-musiker.de
Auch hier schneidet MobileSheets also besser ab als die PadMu Reader-App und ermöglicht die Nutzung des Dual-Screen-Modus‘ mit Tablets oder E-Readern verschiedener Marken. Wenn Sie allerdings MobileSheets auf Ihrem PadMu installieren, können Sie auch das PadMu 4 zusammen mit einem anderen E-Reader oder Tablet-PC verwenden, um den Doppelbildschirmmodus zu nutzen.
Unterstützung des Eingabestifts auf zwei Geräten gleichzeitig
In einem Punkt hat die PadMu Reader App einen absoluten Vorteil gegenüber der Konkurrenz: Sie ist die einzige Dual-Tablet-/Dual-Reader-Lösung auf dem Markt, die die Verwendung eines Eingabestifts auf beiden Geräten gleichzeitig unterstützt. Dadurch ist es möglich, Notizen auf beiden Geräten zu machen, ohne umblättern zu müssen.
Das mag selbstverständlich klingen, ist es aber bei weitem nicht. Bei Apple wird der Apple Pencil im Doppel-iPad-Modus entweder mit dem einen oder dem anderen iPad gepaart. Die Apps forScore und MobileSheets, die den Doppel-iPad-Modus unterstützen, erlauben die Verwendung des Eingabestifts nur auf einem der beiden Tablets.
Gleiches gilt für MobileSheets auf Android, wo nur das „Master“-Tablet Anmerkungen mit dem Stift unterstützt.
Der Dual-Reader-Modus von PadMu ist daher die einzige Lösung auf dem Markt für diejenigen, die einen Stift auf zwei Geräten im Doppelseitenmodus verwenden möchten.
PadMu 4 im Test: Verschiedene Bemerkungen
Reaktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bedienung
Während des Tests des PadMu 4 war ich überrascht von der mangelnden Zuverlässigkeit der Benutzerinteraktionen mit dem E-Reader. Selbst einfache Berührungen (auf dem Bildschirm tippen) scheinen oft nicht erkannt zu werden, und einige Gesten müssen oft wiederholt werden, damit sie vom Tablet angenommen werden.
Neben der Schwierigkeit, das Menü in PadMu Reader aufzurufen, müssen auch Wischgesten zum Aufrufen von Menüs (z. B. um den Vollbildmodus zu verlassen) häufig wiederholt werden. Ich habe den Eindruck, dass das Tippen auf den Bildschirm besser funktioniert, wenn es leichter ist als auf einem herkömmlichen Tablet.
Kein schnelles Aufwachen aus dem Standby-Modus
Wie das Boox Tab X kann das PadMu leider nicht schnell durch zweimaliges Tippen auf den Bildschirm eingeschaltet oder aufgeweckt werden. Die einzige Möglichkeit ist das Drücken der Ein-/Aus-Taste, die sich mit einigen Schutzhüllen als eigenwillig erweisen kann.
Das Problem kann umgangen werden, indem der Bildschirmschoner in den Android-Einstellungen wie folgt angepasst wird:
Settings (Einstellungen) > Desktop and Bilschirmschoner [sic] > Screensaver (direkt auf das Bild tippen) > Tippen Sie dreimal auf den rechten Pfeil, um „Transparenter Bildschirmschoner“ auszuwählen, dann „Bewerben Sie sich unter“ [sic!].
PadMu 4: Pro
- All-in-One-Paket speziell für Musiker
- Durchdachte und benutzerfreundliche Notenbibliothek
- Video-Tutorials und Handbuch auf Deutsch
- Basiert auf dem besten E-Reader auf dem Markt
Contra
- Für die Nutzung der PadMu-Apps ist ein Konto erforderlich
- Nicht ausgereifte Notenlese-App
- Schwache Zuschneidefunktion, keine Doppelseite im Querformat
- Mangelnde Reaktionsfähigkeit der PadMu-App-Suite
PadMu 4: Fazit
Die von PadMu angebotene All-in-One-Lösung klingt verlockend: ein E-Reader speziell für Musiker mit einer maßgeschneiderten Software-Suite.
Beim derzeitigen Stand des Softwarepakets ist es jedoch schwierig, das PadMu 4 uneingeschränkt zu empfehlen. Das Herzstück des E-Readers, die Notenlese-App PadMu Reader, ist bei weitem nicht so ausgereift wie die Konkurrenz (z. B. MobileSheets auf Android oder forScore und Newzik auf dem iPad).
Das PadMu 4 ist jedoch keineswegs eine schlechte Wahl – im Gegenteil! Mit MobileSheets in der E-Ink-Version anstelle der PadMu-Apps ist das PadMu 4 identisch mit dem Onyx Boox Tab X, dem besten großformatigen E-Reader auf dem Markt.
Da diese beiden Lösungen gleichwertig sind, ist die Wahl vor allem eine Frage des Preises und der Verfügbarkeit. Das Onyx Boox Tab kostet etwa 10 % weniger als das PadMu 4. Ein Preisunterschied, der zum Beispiel den Kauf einer Schutzhülle und eines Pedals ermöglichen könnte.